Ort: Bildungsstätte LSB Hessen in Frankfurt
Veranstalter: Deutsche Schachjugend (DSJ)
Datum: 10.–12. Oktober 2025

Der Mädchenschachkongress der Deutschen Schachjugend bot wertvolle Einblicke in die Förderung von Mädchen und Frauen im Schachsport. Im Folgenden werden die wichtigsten Vorträge und deren Erkenntnisse für unseren Verein zusammengefasst.


Arbeitskreis Mädchenschach der DSJ

Der Arbeitskreis Mädchenschach der Deutschen Schachjugend verfolgt verschiedene Ziele zur Förderung des Mädchen- und Frauenschachs:

  • Förderung des Ehrenamts: Unterstützung engagierter Helferinnen und Helfer im Mädchenschach
  • Stärkung der Landesverbände: Vernetzung und Unterstützung auf regionaler Ebene
  • Mädchen Grand-Prix U12/U25: Turnierserien speziell für Mädchen in verschiedenen Altersklassen
  • Rahmenprogramme: Gestaltung attraktiver Begleitprogramme für verschiedene Veranstaltungen
  • Betreuerinnen-Ausbildung: Ab 16 Jahren können sich junge Spielerinnen zu Betreuerinnen ausbilden lassen, um selbstbewusst den Schritt von der aktiven Spielerin zur Betreuerin zu gehen

Qualitätssiegel und Förderinstrumente

Das Qualitätssiegel Mädchen- und Frauenschach wurde überarbeitet und kann Vereine bei ihrer Arbeit unterstützen. Weitere Informationen finden sich unter:

Seit 2013 gibt es das Mädchenschachpatent der Deutschen Schachjugend: Weitere Informationen

Neue Ideen:

  • Mixed-Pokale (landesintern oder länderübergreifend) zur Förderung gemischter Teams

Optimale Förderung von Mädchen und Frauen in Mannschaften

(Carolin Gatzke)

Für eine erfolgreiche Förderung von Mädchen und Frauen im Vereinsschach sind mehrere Aspekte entscheidend:

Analyse der Vereinssituation

Zunächst sollte die aktuelle Situation im Verein oder in der Schule analysiert werden. Dabei ist es wichtig, von Anfang an die Sichtbarkeit der Mädchen untereinander zu gewährleisten, damit sie sich gegenseitig wahrnehmen und unterstützen können.

Spielpraxis und Mannschaftswettbewerbe

  • Organisation von Gastspielerinnen: Bei Bedarf können Gastspielerinnen eingebunden werden, um die Mannschaftsstärke zu erhöhen
  • Spielpraxis durch Mannschaftswettbewerbe: Regelmäßige Teilnahme an Mannschaftswettbewerben fördert die Spielstärke und Motivation
  • Socializing und Gruppendynamik: Das soziale Miteinander und die Dynamik der Gruppe sind wichtige Erfolgsfaktoren
  • Offene Meisterschaften nutzen: Auch offene Turniere bieten wertvolle Spielpraxis

Wichtige Grundsätze

  • Wertigkeit der Bretter: Die Einteilung der Brettfolge sollte mit den Spielerinnen abgestimmt und fair gestaltet werden
  • Freiwilligkeit: Die Teilnahme an Turnieren und Mädchengruppen sollte freiwillig erfolgen, um intrinsische Motivation zu fördern

Best Practice: Die Schachtulpen Hamburg

(Silke Schwartau, Hamburg)

Das Hamburger Projekt “Die Schachtulpen” zeigt erfolgreiche Wege auf, wie Mädchen- und Frauenschach ohne festen Vereinsraum funktionieren kann.

Vom Frauenschach zum Mädchenschach

  • Spielort ohne festen Raum: Die Arbeit funktioniert auch ohne eigene Räumlichkeiten sehr gut
  • Gaststätten als Spielorte: Oft unproblematisch und mit positiver Zusammenarbeit seitens der Gaststättenbetreiber
  • Sichtbarkeit auf der Vereinswebseite: Ein eigener Bereich für Frauenschach schafft Aufmerksamkeit und Identifikation
  • Interesse bei Frauen: Viele Frauen interessieren sich für Breitensport-Schach, auch Mütter von schachspielenden Kindern

Erfolgreiche Formate

  • Familienschach-Turniere: Organisation über die Kinder, inklusive gezielter Ansprache der Eltern
  • Arbeitshefte: Ansprechend gestaltete Arbeitshefte, insbesondere für das Schulschach, sprechen Mädchen besser an
  • Mädchenschachhefte: Speziell auf die Zielgruppe zugeschnittenes Material erhöht die Attraktivität

Finanzierungsmöglichkeiten


Wie können wir mehr Spielerinnen gewinnen?

(Kristin Wodzinski - Gemeinsames Projekt DSB und DSJ)

Die Studie zeigt wichtige Erkenntnisse zur Gewinnung und Bindung von Spielerinnen:

Statistische Erkenntnisse

  • Geschlechterdifferenz bei Senioren: Die größte Differenz zwischen männlichen und weiblichen Mitgliedern findet sich bei den Senioren, was auf historische Barrieren hinweist
  • Lernalter: Schach wird normalerweise in jungem Alter erlernt
  • Corona und Abitur: In den Statistiken sind deutlich die Auswirkungen von Corona und Abiturjahrgängen erkennbar

Handlungsempfehlungen

  • Wünsche sammeln: Regelmäßig die Wünsche von Mädchen und Frauen im Verein sammeln und aktiv bearbeiten
  • Austausch fördern: Aktivitäten zum Austausch zwischen Vereinen und Gruppenarbeit organisieren
  • Universitäten: Großes Potential an Hochschulen – Schachteams sichtbar machen und vernetzen
  • Niederschwellige Angebote: Offenes Schachmaterial an verschiedenen Orten wie Cafés, Bibliotheken, Universitäten etc. auslegen
  • Gemeinsame Reisen: Organisation gemeinsamer Fahrten zu Open-Turnieren zur Stärkung der Gemeinschaft

Zusammenarbeit mit VHS

Für die Seniorenarbeit könnte eine Zusammenarbeit mit Volkshochschulen hilfreich sein, um ältere Interessentinnen zu erreichen.


Best Practice Beispiele aus Europa

(Chiara van Lindt)

Der Blick über die Grenzen zeigt erfolgreiche Ansätze in anderen Ländern:

Gender-Equality in Chess-Index 2023

Der Index bewertet Länder anhand von drei Kriterien:

  • Participation (Teilnahme)
  • Performance (Leistung)
  • Progress (Fortschritt)

Ergebnisse:

  • Starke Wertungen für den “Ostblock” und Frankreich
  • Deutschland liegt auf Platz 66, profitiert aber von gutem “Progress”-Wert

Europäische Angebote

ECU (European Chess Union):

  • Lily Hahn bietet Training und Unterstützung auf europäischer Ebene
  • Vernetzung und Förderung auf kontinentaler Ebene

Budapest Chess Olympiad 2024:

  • Starker Fokus auf Gender-Equality durch gezielte Förderung
  • Diskussion im Rahmen der FIDE über strukturelle Verbesserungen

Länderspezifische Beispiele

Großbritannien:

Frankreich:

  • Ähnlich der DSJ Sommerschach-Tour
  • Herausforderung: Starke Konzentration auf Paris, ländliche Regionen weniger erreicht

Österreich - SPIDS:

  • Vorbild: schachkurse.at
  • 9. Mädchenschachtag am 8. März (Weltfrauentag): Im Nachbarschaftszentrum Schottenfeldgasse kamen 77 schachbegeisterte Mädchen zusammen
  • Nutzung bestehender Fördertöpfe für Frauen im Sport

Weitere innovative Ideen

Neben den strukturierten Vorträgen wurden weitere kreative Ansätze diskutiert:

Öffentlichkeitsarbeit und Medien

  • Einbindung junger Spielerinnen: Ab 16 Jahren Beteiligung an der Öffentlichkeitsarbeit
  • Twitch und Online-Communities: Aufbau von Communities und Organisation von Matches auf Streaming-Plattformen
  • Soziale Medien: Gezielte Ansprache über Instagram, TikTok und andere Plattformen

Event-Gestaltung

  • Kulinarisches Angebot: Attraktive Verpflegung zwischen letzter Runde und Siegerehrung
  • Schachtorte: Besondere Spielorte gestalten, inklusive Schachfiguren aus Schokolade
  • Weibliche Chessy-Präsenz: Verstärkte weibliche Repräsentation bei Maskottchen und Symbolfiguren

Qualitätssiegel TOP-Schachverein “Mädchen- und Frauenschach”

Das überarbeitete Qualitätssiegel der DSJ bietet Vereinen eine strukturierte Möglichkeit, ihre Arbeit im Mädchen- und Frauenschach zu dokumentieren und weiterzuentwickeln.

Bewerbungsverfahren

  • Einreichung durch den Vorstand: Die Bewerbung muss offiziell vom Vereinsvorstand eingereicht werden
  • Prüfungsdauer: Innerhalb von zwei Monaten nach Einreichung
  • Aufstufung: Eine Aufstufung von Bronze zu Silber oder Gold ist jederzeit möglich

Grundlegende Angaben

Jede Bewerbung muss folgende Informationen enthalten:

  • Gesamtzahl der Mitglieder und Funktionsträger:innen
  • Zahl der Mädchen und Frauen im Verein, idealerweise nach Altersgruppen aufgeschlüsselt
  • Stellung zu allen 10 Kategorien des Kriterienkatalogs
  • Nachweise durch Bilder, Urkunden, Zertifikate etc.

Stufen des Qualitätssiegels

Bronze:

  • Erfüllung der Anforderungen in den Kategorien 2–5 und 7
  • Vollständigkeit der Unterlagen

Silber:

  • Alle Bronze-Anforderungen
  • Zusätzlich 3 weitere Kategorien erfüllt

Gold:

  • 9 von 10 Kategorien erfüllt
  • Höchste Stufe der Anerkennung

Die 10 Kategorien im Detail

1. Räumlichkeiten

  • Bronze: Keine besonderen Anforderungen
  • Silber: Mädchen- und frauengerechte Räumlichkeiten mit altersangemessenen festen Spielzeiten
  • Gold: Eigene Räume und separate Trainingsmöglichkeiten für Mädchen und Frauen

2. Spielmaterial

  • Bronze: Mindestens 8 Schachsets und ein Demobrett
  • Silber: Geeignetes Material speziell für Mädchen (z.B. ansprechende Designs)
  • Gold: Alternativen zum Trainingsalltag wie andere Brettspiele und Rückzugsmöglichkeiten

3. Training

  • Bronze: Mädchen und Frauen nehmen am regulären Trainingsbetrieb teil
  • Silber: Reine Mädchen-/Frauenmannschaften, gezielte Förderung durch lizenzierte Trainer:innen
  • Gold: Teilnahme in leistungsstarken Mannschaften oder an vorderen Brettern, Förderung auf Landes- und Bundesebene

4. Personal & Qualifikation

  • Bronze: Vorhandensein eines Schachtrainers oder Mädchenschachpatents
  • Silber: Mindestens eine weibliche schachlehrende Person erfüllt die Bronze-Anforderungen
  • Gold: Individuelle Förderung von weiblichen Talenten durch qualifiziertes Personal

5. Einbindung in die Vereinsarbeit

  • Bronze: Aktive Teilnahme von Mädchen und Frauen am Spiel- und Vereinsbetrieb (z.B. als Mannschaftsführerin oder engagierte Spielerin)
  • Silber: Mindestens ein weibliches Vorstandsmitglied im Verein
  • Gold: Dedizierte Vorstandsposition einer Frauen-/Mädchenschachbeauftragten

6. Turniere

  • Bronze: Keine besonderen Anforderungen
  • Silber: Finanzielle Unterstützung von Turnierteilnahmen (z.B. Transportkosten)
  • Gold: Umfassende Förderung durch finanzielle Unterstützung, Bereitstellung von Material oder Unterstützung einer Frauenmannschaft

7. Weitere Angebote

  • Bronze: Spezielle Freizeitangebote für Frauen und Mädchen mit oder ohne Schach
  • Silber: Turnierangebote, die gezielt an Mädchen und Frauen gerichtet sind
  • Gold: Der Verein subventioniert Turnierteilnahmen oder richtet eigene Mädchen- und Frauenturniere aus

8. Prävention sexualisierter Gewalt

  • Bronze: Keine besonderen Anforderungen
  • Silber: Kinderschutzbeauftragte müssen benannt und entsprechend geschult werden, regelmäßige Überprüfung der Führungszeugnisse
  • Gold: Verankerung der Prävention jeglicher Gewalt in der Satzung, regelmäßige Schulungen und Fortbildungen zum Thema Kinderschutz und Prävention

9. Präsentation nach innen und außen

  • Bronze: Keine besonderen Anforderungen
  • Silber: Beiträge zum Mädchen- und Frauenschach (z.B. Spielberichte), eigene Kanäle oder Bereiche auf sozialen Medien (z.B. Website oder Instagram)
  • Gold: Regelmäßige Veröffentlichungen für Mädchen- und Frauenschach vereinsintern und extern

10. Organisation und Werte

  • Bronze: Keine besonderen Anforderungen
  • Silber: Der Themenbereich “Mädchen- und Frauenschach” wird regelmäßig als Tagesordnungspunkt im Vereinsvorstand behandelt
  • Gold: Mädchen- und Frauenschach hat einen hohen Stellenwert im Verein und wird aktiv gefördert

Empfehlungen für unseren Verein

Basierend auf den Erkenntnissen des Kongresses ergeben sich folgende Handlungsempfehlungen für den Schachverein Dresden-Striesen:

Kurzfristig umsetzbar

  1. Sichtbarkeit erhöhen: Eigenen Bereich für Mädchen- und Frauenschach auf der Vereinswebseite einrichten
  2. Wünsche sammeln: Befragung der Mädchen und Frauen im Verein zu ihren Wünschen und Bedürfnissen
  3. Material: Prüfung und ggf. Anschaffung von ansprechendem Schachmaterial speziell für Mädchen
  4. Freiwilligkeit betonen: Klare Kommunikation, dass die Teilnahme an Mädchen-/Frauenangeboten freiwillig ist

Mittelfristig umsetzbar

  1. Qualitätssiegel: Bewerbung um das Qualitätssiegel “TOP-Schachverein Mädchen- und Frauenschach” prüfen
  2. Familienangebote: Organisation von Familienschach-Turnieren zur Ansprache von Eltern
  3. Vernetzung: Kontakt zu anderen Vereinen aufnehmen, die erfolgreich im Mädchenschach arbeiten
  4. Finanzierung: Prüfung von Fördermöglichkeiten (z.B. Stiftung Schachwerkstatt)

Langfristig anstreben

  1. Vorstandsposition: Einrichtung einer Position als Mädchen-/Frauenschachbeauftragte
  2. Eigene Turniere: Organisation vereinseigener Mädchen- und Frauenturniere
  3. Schulungen: Teilnahme an Fortbildungen zum Mädchenschachpatent
  4. Kinderschutz: Umfassende Verankerung von Kinderschutz und Prävention in der Vereinsstruktur


← Zurück zur Startseite